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Theologisches ABC. Ein Lesebuch von Abba bis Zweifel


Das zum Papstbesuch 2011 in Deutschland vom Institut Papst Benedikt XVI. erstellte theologische Lesebuch aus den Texten Joseph Ratzingers „Der Glaube der Kirche“ (Arbeitshilfen Nr. 248 der deutschen Bischofskonferenz) wurde in korrigierter und erweiterter Form von Erzbischof Robert Zollitsch als gebundene Ausgabe im Herder-Verlag jetzt zum „Jahr des Glaubens“ herausgegeben. Papst Benedikt XVI. hat dieses „Jahr des Glaubens“ zum 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils ausgerufen. 165 Texte, die alphabetisch in Stichworte geordnet sind, geben exemplarisch Einblick ins Denken des heutigen Papstes. Sie laden ein, sich mit theologischen Begriffen auseinanderzusetzen. Das theologische ABC kann so als geistliches Kompendium zum Nachschlagen und zum Schmökern dienen.

 

 

Leseprobe aus „Theologisches ABC“: Vom I. zum II. Vatikanischen Konzil (Seite 221-224)

 

Das Erste Vatikanische Konzil hat genau in dem Augenblick stattgefunden, in dem als Folge des deutsch-französischen Krieges im Herzen Europas zwei neue große Nationalstaaten entstanden sind: Deutschland und Italien. Und gleichzeitig damit ist der Kirchenstaat, die weltliche Macht des Papsttums, endgültig von der Landkarte und aus unserer Geschichte verschwunden. In diesem Augenblick hat das I. Vaticanum die rein geistige, von allem weltlichen Ballast gelöste Gestalt des Papsttums ans Licht gestellt, sie wieder neu beschrieben aus der Nachfolge des irdisch machtlosen Christus als Nachfolge ohne irdische Macht, wie auch Petrus, der Fischer, ohne Macht ihm nachgegangen war bis zur Kreuzigung in Rom hin.

    So können wir aus alledem etwas von Trost und Trauer der Vergänglichkeit verspüren: Trost, dass vieles versunken ist, was sich groß aufgeplustert hat; vielleicht auch Trauer über manches, das wir gerne bewahrt gesehen hätten. Wichtig aber ist, dass in dem Augenblick, in dem das nationale Prinzip seine Triumphe feierte, die Nation geradezu angebetet wurde, das Konzil dem das Prinzip der Einheit gegenübergestellt hat. Nation ist ein Wert, das wollen wir nicht bestreiten. Aber wo sie absolut genommen wird, da wird sie gefährlich. 

     In dieser Geschichte der letzten 140 Jahre sehen wir es, wie viel Blut und Tränen der Rausch des Nationalen nicht nur über Europa, sondern über die Welt gebracht hat. Denn wir alle, auch wir Christen, wir Katholiken, waren meistens zuerst Deutsche, Franzosen, Italiener, Engländer, und erst dann Christen und Katholiken. Wir haben zu sehr vergessen, was wir eben in der Lesung gehört haben, dass wir alle in unserer Verschiedenheit, die Reichtum des Miteinander sein sollte, doch miteinander dazu bestimmt sind, Kinder Gottes, Geschwister Jesu Christi, eine große Familie zu sein, und dass die Welt – wie es die Lesung gesagt hat – nicht vereint wird durch die Kraft einer besonders bedeutenden Nation, die sich vielleicht als Herrennation oder auserwählt versteht, sondern dass sie vereint wird durch den, der Himmel und Erde vereinigen kann – eben durch Jesus Christus. So war dieses Hinstellen dieses Prinzips der Einheit über alle nationalen Grenzen hin nicht nur in jenem Augenblick von größter Aktualität, wenn auch leider zu kraftlos in unserer Geschichte. 

    Es ist auch heute dringlich. Denn gewiss, wir stehen inzwischen in so vielen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten, dass daraus niemand mehr aussteigen kann. Aber umso mehr wollen wir im Geistigen und Religiösen uns dann in unsere Eigenwelt, in unsere Eigenbrötelei zurückziehen. Da wird das Gewissen, das oft doch nur ein Deckwort für unsere eigenen Wünsche und Meinungen ist, zur letzten Instanz erklärt, oder vielleicht die Gruppe, mit der wir uns sympathisierend fühlen. All das hat je seinen eigenen Rang, aber es behält ihn nur dann und ist nur dann wahr und recht, wenn es sich einfügt in die große Wahrheit unseres Einsseins vom Vater-Gott her, von Jesus Christus her. Deswegen sollten wir auch heute dankbar sein, dass es den Papst als Bezugspunkt der Einheit gibt, als sichtbare Kraft der Einheit; sollten wir anerkennen, dass Einheit nicht nur Gabe ist, sondern auch ihre Forderungen an uns stellt und erst dann uns reich machen kann; sollten uns mühen, das Unsrige in die große Einheit einzubringen, damit wir dann auch von den Anderen empfangen können.

    Was ist nun die Botschaft d es Zweiten Vatikanischen Konzils? Aus der Vielfalt der Texte sein zentrales Wort herauszufinden, ist nicht leicht. Aber wir sollten uns darauf besinnen, dass das Erste Vatikanische Konzil durch den Krieg der Völker auseinander getrieben wurde, dass es nicht zu Ende reden konnte. So hat das II. Vaticanum das, was dort weggenommen worden war, weitergesprochen, das Wort über die Kirche zu Ende geführt und dieses neu vollendende Wort über die Kirche heißt: Christus. Der erste Satz in dem großen Text über die Kirche lautet: „Das Licht der Völker ist Christus“ (Lumen gentium 1). Kirche ist dazu da, dass sie dieses Licht weitergibt. Sie ist nicht für sich da, sondern als Fenster, das das Licht Christi einlässt in diese unsere Welt.

 

Die Flügel des Glaubens, Predigt in Marktl am Inn am 13. 7. 1997, bisher unveröffentlicht.

 

ISBN 978-3-451-32558-8

€ 16,99