Rom, Regensburg und Bolawalana
DT vom 07.02.2015, Nr. 16, S. 15. von Stefan Rehder
Über einen Mangel an Beschäftigung kann sich das „Institut Papst Benedikt XVI.“ wahrlich nicht beklagen.
Der „Mozart der Theologie“, wie Joachim Kardinal Meisner Benedikt XVI. alias Joseph Ratzinger einmal nannte, soll auch der Kirche Sri Lankas neue Impulse geben. Am 15. Januar besuchte Papst Franziskus während seiner Pastoralreise auch das „Kultur- und Sozialzentrum Benedikt XVI.“, das der Erzbischof von Colombo, Malcom Kardinal Ranjith, in Bolawalana errichten ließ. Das Zentrum, das erst in diesem Sommer offiziell eröffnet werden wird, soll vor allem dem interreligiösen Dialog und der Friedensarbeit in dem von einem langjährigen Bürgerkrieg zerrütteten Land dienen.
Kardinal Ranjith hoffe, dass das „Kultur- und Sozialzentrum Benedikt XVI.“ ein „Haus der Begegnung von Christen, Buddhisten und Hindus“ werde und dazu beitrage, „Spannungen und Vorurteile“ zwischen Tamilen und Singalesen abzubauen, um so die Wunden zu schließen, die der bis 2009 dauernde Bürgerkrieg dem Land geschlagen habe, erläutert Christian Schaller, Stellvertretender Direktor des Regensburger „Instituts Papst Benedikt XVI.“ im Gespräch mit dieser Zeitung. Dass das Haus nach dem emeritierten Papst benannt worden sei, „der stets um Ausgleich und Versöhnung bemüht war“, nannte Schaller „programmatisch“.
Auf Einladung von Kardinal Ranjith konnten sich der Direktor des „Instituts Papst Benedikt XVI.“, Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer, und Schaller während des Pastoralbesuchs von Papst Franziskus vor Ort selbst ein Bild von den Fortschritten machen, welche die 2011 in Angriff genommene Anlage inzwischen verzeichnen kann. Gegenüber der „Tagespost“ zeigte sich der promovierte Theologe von der „campusartigen Anlage“, die in Flughafennähe am Stadtrand gelegen sei, sehr angetan. Auch wenn die drei einstöckigen Gebäude, die von einem Park umgeben seien, in dessen Herzen sich eine bereits fertiggestellte Kapelle befinde, „keine klassische Forschungseinrichtung“ beherbergen werde, sei der Bau ein „wichtiges Signal für die Region, das in den ganzen asiatischen Raum ausstrahlt“.
Gästezimmer und Tagungsräume ermöglichten den Betrieb einer „Akademie“, die unter anderem auch „Tagungen für Priesteramtskandidaten und Katecheten“ anbieten werde. Die Einladung von Kardinal Ranjith, an der Einweihung des Zentrums durch Papst Franziskus teilzunehmen, drücke „auch den Wunsch aus, dass sich diejenigen, die sich mit der Theologie Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. beschäftigen zu einer Familie zusammenfinden.“ Das „Institut Papst Benedikt XVI.“ sei entschlossen, den Kontakt auszubauen und dem Kultur- und Sozialzentrum Benedikt XVI. in Bolawalana „jede erdenkliche Hilfe“ anzubieten. „Wie das konkret aussieht, muss noch geklärt werden.“ Vorstellbar seien aber zum Beispiel „die Ausrichtung gemeinsamer Tagungen, der Austausch von Publikationen oder die Stellung von Referenten“, erklärt Schaller.
Dabei hat das Institut Papst Benedikt XVI. überhaupt keinen Anlass, sich über einen Mangel an Beschäftigung zu beklagen. Kürzlich ist mit der „Einführung in das Christentum. Bekenntnis – Taufe – Nachfolge“ im Herder Verlag Band IV der vom damaligen Bischof von Regensburg und heutigen Präfekten der römischen Glaubenskongregation, Ludwig Kardinal Müller herausgegebenen Reihe „Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften“ (JRGS) erschienen. In der auf 16 Bände angelegten Reihe, die 2008 mit der Präsentation des Bandes XI „Theologie der Liturgie“ einem dem Autor auf beinah kongenial Weise gerecht werdenden Anfang nahm, sind bereits ganze neun erschienen. Welcher Band als nächster drankommt, soll im März entschiedenen werden. Zur Debatte stehen die „Fundamentaltheologischen Texte Joseph Ratzingers oder seine Schriften über die Philosophische Gottesfrage“, verrät Schaller. Vorangetrieben werden müsse ferner die Übersetzung der JRGS-Reihe in andere Sprachen. Außer in Deutsch, erscheint die JRGS-Reihe nämlich inzwischen auch auf Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch und natürlich Italienisch. Und dabei wird es wohl nicht bleiben. „Da kommen bestimmt noch weitere Sprachen dazu“, ist sich Schaller sicher.
Außerdem sollen in diesem Jahr noch zwei weitere Bände der 2009 begonnenen und bereits auf sechs Bände angewachsenen Reihe „Ratzinger Studien“ (RaSt) erscheinen, die im Friedrich Pustet Verlag editiert wird. Einer wird die Tagungsakten eines Symposiums in Erfurt versammeln, das sich mit der Eschatologie Ratzingers beschäftigte. Der andere, von Camillo Kardinal Ruini herausgegebene Band, wird die bisherigen Joseph-Ratzinger-Preisträger vorstellen und je zwei ihrer Texte versammeln. Der mit 50 000 Euro dotierte Preis wird seit dem Jahr 2011 jährlich von der vatikanischen Stiftung „Fondazione Vaticana Joseph Ratzinger – Benedetto XVI.“ für besonders gelungene wissenschaftlich-theologische Leistungen im Kontext des Gegenwartsdiskurses vergeben und in Absprache mit dem inzwischen emeritierten Papst verliehen.
Außerdem plant das Institut eine Tagung zum Konzilsjubiläum. Unter der Arbeitsüberschrift „Joseph Ratzinger und das II. Vatikanum“ soll sich „im Umfeld des 8. Dezembers“ 2015, dem 50. Jahrestag des offiziellen Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils im Jahre 1965, ein Symposium mit der Rolle beschäftigen, die der „Mozart der Theologie“ als Berater des Kölner Erzbischofs Josef Kardinal Frings, der Mitglied des zehnköpfigen Konzilpräsidiums war, und als von Papst Paul VI. berufener Peritus spielte.
Trotz allem Enthusiasmus und regelrechter Arbeitswut, die Schaller verströmt, gibt sich der Ratzinger-Experte keinen Illusionen hin. Bis das „Jahrhundert-Werk“, das Joseph Ratzinger geschaffen habe, „endgültig rezipiert ist“, werde noch viel Wasser Donau, Naab und Regen hinabfließen. Bis dahin gelte es weiterhin Quellen zu sortieren und der wachsenden Zahl derer zur Verfügung zu stellen, die sich in das Studium der theologischen Schriften Joseph Ratzingers vertiefen. Inzwischen würden „Gäste aus der ganzen Welt“ das „Angebot einer Spezialbibliothek“ nutzen, die das „Institut Papst Benedikt XVI.“ für sie in Regensburg geschaffen hat. Europäer, aber auch Theologen aus so weit entfernten Ländern wie Argentinien und Südkorea besuchten längst den Ort, an dem Joseph Ratzinger lange Zeit lehrte. Und wer weiß, vielleicht wird ihre wachsende Schar eines Tages auch um Tamilien und Singalesen bereichert.