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Presseschau - Detail

Rezension zu JRGS 10

KlBl 95 (2015), 62 f. von Prof. Dr. Josef Kreiml

JOSEPH RATZINGER, Auferstehung und ewiges Leben. Beiträge zur Eschatologie und zur Theologie der Hoffnung, (Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften, Bd. 10), 766 Seiten, Verlag Herder, Freiburg 2012, ISBN 978-3-451-34121-2, € 55,--.  

 

Im „Vorwort des Herausgebers“ (5–9) stellt Gerhard Kardinal Müller – damals noch Bischof von Regensburg – fest, dass sich bei Joseph Ratzinger in der Rückschau auf die Jahrzehnte seines wissenschaftlichen und geistlichen Umgangs mit dem Thema „Tod und ewiges Leben“ die christologische Dimension seines Entwurfes „immer deutlicher nachzeichnen“ (5) lässt. Im Traktat Eschatologie geht es vor allem darum, die Selbstoffenbarung des dreifaltigen Gottes „unter dem Gesichtspunkt seiner definitiven und endgültigen Entschiedenheit zum Heil der Menschen herauszuarbeiten“ (6). Die vorgelegten Texte aus fünf Jahrzehnten dienen der Erfahrung wahren Menschseins im Angesicht Gottes. 

 

Teil A der Publikation (27–276) enthält das Werk „Eschatologie. Tod und ewiges Leben“ (29–237), das Joseph Ratzinger 1977 in der Reihe „Kleine Katholische Dogmatik“ veröffentlicht hat. Die beiden Anhänge zur erweiterten 6. Auflage des Werkes (1990) sind ebenfalls abgedruckt: das auf die Reaktionen der Fachwelt eingehende Nachwort (238–257) sowie der 1980 erstmals veröffentlichte Aufsatz „Zwischen Tod und Auferstehung. Ergänzende Reflexionen zur Frage des `Zwischenzustandes´“ (258–276). In seinem Vorwort zur Neuausgabe (2007) seiner „Eschatologie“ (31–35) weist Papst Benedikt XVI. darauf hin, dass in den Jahren nach 1977 die Hoffnung von nicht wenigen als „aktive Tugend“ verstanden wurde. Das Reich Gottes wurde zum „Reich des Menschen“, zur „besseren Welt“ von morgen uminterpretiert. Es sei auch festgestellt worden, dass es den Begriff der „Unsterblichkeit der Seele“ in der Bibel nicht gebe. „Mit einer merkwürdigen Philosophie der Zeitlosigkeit, die jenseits des Todes herrsche, wurde nun erklärt, die Auferstehung finde im Tod statt“ (32). Mit beiden Strömungen „hatte ich mich in meiner Eschatologie auseinanderzusetzen“ (32). Die Entfaltung einer anthropologischen Begrifflichkeit mit den Ausdrücken Leib und Seele, wie sie in der Tradition erfolgt ist und im Konzil von Vienne formuliert wurde, hat – so Papst Benedikt XVI. – „durchaus sachgemäß die Vorgaben der biblischen Anthropologie weiterentwickelt“ (33). Die Bibel kennt das „beim Herrn Sein“ zwischen Tod und Auferstehung. 

 

Im Teil B (277–485) werden kürzere Beiträge Joseph Ratzingers vorgelegt, die der Zusammenschau des Lehrbuches aus dem Jahr 1977 gleichsam den Weg bereitet haben. Die Kategorie der „Hoffnung“ spielt dabei eine wichtige Rolle für die Deutung der individuellen, ekklesialen und universalen Eschatologie. Dieser Teil der Publikation enthält 22 Texte, die in chronologischer Reihenfolge angeordnet sind: neun Lexikonartikel zwischen 1957 und 1967 (die meisten in der 2. Aufl. des „Lexikons für Theologie und Kirche“), zwei Rezensionen, zehn Aufsätze und ein Interview. Bei diesem Interview aus dem Jahr 1998 (468–485) mit dem Theologen Niels Christian Hvidt geht es um „das Problem der christlichen Prophetie“. Die Aufsätze tragen Titel wie z. B.: Zur Theologie des Todes; Auferstehung und ewiges Leben; Der Tod und das Ende der Zeiten; Was kommt nach dem Tod?; Die Auferstehung Christi und die christliche Jenseitshoffnung; Eschatologie und Utopie; Über die Hoffnung. Ihre spirituellen Grundlagen aus der Sicht franziskanischer Theologie; Gottes Macht – unsere Hoffnung (Vortrag im Rahmen des Dresdener Katholikentreffens 1987); Mein Glück ist es, in deiner Nähe zu sein (Vortrag vor der Christlichen Akademie in Prag 1992). 

 

Unter der Überschrift „Reich-Gottes-Erwartung und Theologie der Befreiung“ (Teil C: 487–641) sind die Beiträge zu einer zentralen Thematik der letzten Jahrzehnte vereint. Die lehramtliche Diskussion über die Theologie der Befreiung fällt in die Zeit Joseph Ratzingers als Präfekt der Glaubenskongregation. Die Kongregation hat in den beiden Instruktionen „Libertatis nuntius“ (1984) und „Libertatis conscientia“ (1986) die notwendigen Korrekturen einer – in ein rein politisches und oftmals marxistisches Menschen- und Geschichtsbild abgleitenden – einseitigen Konzeption von Befreiung, in der „Erlösung“ ein innerweltliches Paradies meint, vorgenommen. Die beiden Instruktionen haben Tendenzen zurückgewiesen, in denen der Blick auf das Übernatürliche verlorengegangen war. Mit der authentischen christlichen Auffassung von Mensch und Welt wird eine echte Theologie der Befreiung freigelegt und ein Weg beschrieben, der mit der Soziallehre der Kirche eng verbunden ist. 

Die acht Beiträge dieses Teiles setzen sich mit der „Politischen Theologie“ und der „Theologie der Hoffnung“ auseinander: Den Vortrag „Die Zukunft des Heils“ hat Joseph Ratzinger 1973 an der Universität Regensburg bei einem akademischen „Forum“ zum Thema „Innerweltliche und christliche Heilserwartung“ gehalten. Der Beitrag „Die Theologie der Befreiung“ gibt einen Vortrag des Autor aus dem Jahr 1983 (in Anwesenheit von Papst Johannes Paul II.) wieder. Bei einer Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Klasse der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste in Düsseldorf hat der Kardinal über „Politik und Erlösung. Zum Verhältnis von Glaube, Rationalität und Irrationalität in der so genannten Theologie der Befreiung“ (524–561) gesprochen. Der Beitrag „Freiheit und Befreiung. Die anthropologische Vision der Instruktion `Libertatis conscientia´“ (562–582) geht zurück auf einen Vortrag, den Kardinal Ratzinger 1986 in Lima anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an ihn gehalten hat. – Dieser Teil des Bandes enthält auch ein Interview, das der Kardinal mit der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur/Christ und Welt“ 1987 zum Thema „Die Kirche im Spannungsfeld einer säkularisierten Welt“ geführt hat (582–601). – Drei weitere Beiträge stehen im Zusammenhang mit der Tagung „Das Ende der Zeit?“, die 1998 in Ahaus anlässlich des 70. Geburtstages von Johann Baptist Metz stattgefunden hat: Dabei hat der Kardinal den Festvortrag „Das Ende der Zeit“ (602–619) gehalten. Unter dem Titel „Gott, die Schuld und das Leiden“ wird ein Gespräch zwischen Kardinal Ratzinger und dem Münsteraner Fundamentaltheologen Metz wiedergegeben. Die Diskussion zwischen dem Kardinal, J. B. Metz, J. Moltmann und der jüdischen Religionsphilosophin E. Goodman-Thau ist unter dem Titel „Die Provokation der Rede von Gott“ nachzulesen. 

 

Teil D („Predigten“; 643–691) enthält zehn Homilien aus den Jahren zwischen 1968 und 2005: Es sind Predigten zu Mariä Himmelfahrt (1968), zum Jahresgedächtnis des Todes von Kardinal Döpfner (1979), zur Eröffnung der Oberammergauer Passionsspiele (1980), beim Requiem für die Opfer des Bombenattentats auf der Theresienwiese (1980), eine Betrachtung zum Allerseelentag („Die römischen Katakomben“; 1986), Predigten zu Allerheiligen (1990), zum 2. Adventssonntag (1990), bei den Exequien für Kardinal Degenhardt (2002), vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften (2004) und in der Osternacht 2005 im Petersdom. 

 

Dieser Band mit den gesammelten Texten Joseph Ratzingers zur Eschatologie trägt dazu bei, in ein wichtiges Thema der Theologie Klarheit zu bringen. Denn – so hat es Kardinal Ratzinger selbst formuliert – die Lähmung der Ewigkeitshoffnung ist „die Kehrseite der Lähmung des Glaubens an den lebendigen Gott“ (453). 2015 wird auch der Band der vom Regensburger Institut Papst Benedikt XVI. herausgegebenen „Ratzinger-Studien“ erscheinen, der die Tagung dokumentiert, die nach Erscheinen des hier besprochenen Bandes der „Gesammelten Schriften“ zum Thema „Eschatologie“ 2013 in Erfurt stattgefunden hat. Man kann den Beiträgen des emeritierten Papstes zu den Fragen der christlichen Hoffnung, die er in seiner Enzyklika „Spe salvi“ noch einmal systematisch gebündelt hat, nur eine breite Leserschaft wünschen. Die Ausführungen Joseph Ratzingers bieten geradezu eine Garantie dafür, dass sich der nach den „letzten Dingen“ fragende Mensch im Dickicht unzähliger Antwortversuche nicht verirrt, sondern die wirkliche Antwort des Glaubens findet.