Gottes Handeln durch Christus
DT vom 31.03.2009, Nr. 38, S. 5 von Michael Karger
„Theologie der Liturgie“ – ein Symposium in Regensburg zum ersten Band der „Gesammelten Schriften“ von Papst Benedikt XVI.
Regensburg (DT) Vor einem Jahr gründete Bischof Gerhard Ludwig Müller in Regensburg das „Institut Papst Benedikt XVI.“ Zweck dieser Einrichtung ist die Edition des theologischen Werkes des Papstes unter dem Titel: „Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften.“ Auf ausdrücklichen Wunsch des Heiligen Vaters sollte die Gesamtausgabe mit dem Band „Theologie der Liturgie“ (JRGS Band 11) eröffnet werden. Der voluminöse Band (757 Seiten) konnte bereits 2008 vom verantwortlichen wissenschaftlichen Editor Professor Rudolf Voderholzer fertiggestellt und vom Herausgeber Bischof Müller dem Papst und der interessierten Öffentlichkeit übergeben werden. Am vergangenen Samstag lud Professor Voderholzer als Direktor des „Instituts Papst Benedikt XVI.“ zu einer Vortragsveranstaltung nach Regensburg ein, auf der sich namhafte Wissenschaftler mit dem Themenspektrum von „Theologie der Liturgie“ auseinandersetzten. Unter den zahlreichen Teilnehmern waren der Regensburger Weihbischof Reinhard Pappenberger, die Generalvikare Michael Fuchs, Regensburg, und Klaus Metzl, Passau, Klaus Peter Dannecker, Liturgisches Institut Trier und der Sprecher des „Schülerkreises“ des Heiligen Vaters Pater Stephan Horn. Mit besonderem Applaus wurde der Bruder des Papstes, der Apostolische Protonotar Prälat Georg Ratzinger, willkommen geheißen.
„Liturgie ist für Ratzinger in Glaube und Gebet aufgenommene Offenbarung“
Den Anfang machte Helmut Hoping, Ordinarius für Dogmatik und Liturgiewissenschaft in Freiburg. Er sollte die Frage beantworten: Was ist Theologie der Liturgie? Zentraler Inhalt der Arbeiten von Joseph Ratzinger zur Liturgie ist nach Hoping die Feier der Eucharistie und dabei besonders die Überwindung der Trennung zwischen dogmatischem Gehalt und liturgischer Gestalt der Eucharistie. Theologie der Liturgie bedeutet für Joseph Ratzinger: „Dass Gott durch Christus in der Liturgie handelt und dass wir nur durch ihn und mit ihm handeln können ... dass in der Liturgie der Logos selbst zu uns spricht und nicht nur spricht:
Er kommt mit Leib und Seele, Blut, Gottheit und Menschheit, um uns mit sich zu vereinigen, zu einem Leib zu machen.“ Darum ist für Ratzinger die Liturgie kein Randthema, sondern „im Umgang mit der Liturgie entscheidet sich das Geschick von Glaube und Kirche“. Liturgie ist für Ratzinger „in Glaube und Gebet aufgenommene Offenbarung“. Die Schönheit der Liturgie ist dabei ein „konstitutives Element“, weil sie eine Eigenschaft Gottes und der Offenbarung ist. Hoping nennt Ratzingers „Theologie der Liturgie“ als Ganzes betrachtet eine „sakramententheologisch fundierte Fundamentalliturgik“.
Als wichtigste Einzelschrift bezeichnet Hoping den im Jahr 2000 erschienenen Band „Der Geist der Liturgie“. Das Motu proprio „Summorum Pontificium“ (2007), das allen Priestern des römischen Ritus erlaubt, die Messe nach dem Missale von 1962 als „forma extraordinaria“ zu feiern, ergänzend zur als „forma ordinaria“ bezeichneten Messfeier nach dem Missale von Paul VI., sieht Hoping „nicht allein“ durch Forderungen der „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ veranlasst. Vielmehr erkennt der Liturgiewissenschaftler dahinter die Absicht „sich auf die organische Entwicklung der römischen Liturgie zurückzubesinnen und gegenüber der Ideologie des Bruchs und der fabrizierten Liturgie den Respekt vor der liturgischen Ordnung und die sakrale und kultische Dimension der Liturgie wiedergewinnen“ zu wollen.
Klare Aussagen trifft Hoping zum Stichwort Reform der Liturgiereform: „Die Nachkonzilszeit mit ihrer Verklärung des Konzils und der Liturgiereform ist mit der Wahl Benedikts XVI. endgültig zu Ende gegangen. Jetzt ist die Zeit, nüchtern Bilanz zu ziehen und dort, wo es zu Fehlentwicklungen gekommen ist, korrigierend einzugreifen.“ Hoping vermutet, „dass Benedikt XVI. nicht ein dauerhaftes Nebeneinander von zwei Formen des römischen Messritus im Blick hat, sondern Integration und Harmonie des Ritus das Ziel sind“.
Im Anschluss ging der Religionsphilosoph Jörg Splett daran, als Grundlegung einer Theologie des Gebets zu erklären, wie sich die Unveränderlichkeit Gottes mit der Menschwerdung vereinbaren lässt. Splett findet die Antwort in der Übersetzung der metaphysischen Aussage von der Unveränderlichkeit Gottes in die anthropologische und religiöse Bestimmung von Treue. Als Grundgestalt des Gebets bezeichnet Splett den Dank durchaus im Gegensatz zu Ratzingers Ansatz beim „Notschrei“ („Dogma und Verkündigung“ 1973): „Liegt also jedem Bitten das Empfangen voraus, dann hätte auch konkret jede Bitte mit einem Dank zu beginnen: für das Bitten dürfen ...“ Mit Worten von C.S. Lewis nennt Splett den selbstvergessenen Lobpreis den Höhepunkt des Gebets: „Gott gefallen ... als wirklicher Teil des göttlichen Glücks ... von Gott geliebt werden, nicht nur bemitleidet, sein Entzücken sein, wie ein Künstler sich an seinem Werk freut ...“
Joseph Ratzingers Schriften zur Kirchenmusik widmete sich der Theologe und Kirchenmusiker Franz Karl Praßl aus Graz. Der Leiter einer Choralschola und Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie konnte durch zahlreiche Beispiele belegen, dass das, was Ratzinger unter geistgewirktem und logosgemäßem Gottesdienst versteht, auch kirchenmusikalisch keine Stilfrage ist, sondern die grundlegende Forderung nach Vergeistigung und biblischem Wortbezug bedeutet. Beim Hörbarmachen von theologischen Inhalten gehe es darum, zuerst um die theologische Kompetenz und nicht um religiöse Gefühlswerte. Praßl sprach sich gegen die allgemeine Lateinphobie aus und nannte die Ablehnung der Orchestermessen mit dem Buchstaben des Konzils unvereinbar und darum „rechtswidrig.“ Der denkerisch schwierigsten Aufgabe stellte sich an diesem Tag der Salesianerpater Stefan Oster mit dem Thema „Joseph Ratzinger und die Transubstantiation“.
In einem Aufsatz aus dem Jahr 1967 äußerte sich Ratzinger zum damals heftig diskutierten Glaubensinhalt Realpräsenz. In der Eucharistie sei Christus nicht „wie eine naturale Sache“ anwesend, meinte Ratzinger, sondern personal, also wie ein Liebender für die geliebte Person. Mit dieser Auffassung wendete Ratzinger phänomenologische, personale und relationale Kategorien an, um den bisher vorherrschenden gegenständlichen Substanzbegriff zu überwinden. Dieser Ansatz wurde von Pater Oster mit einer Untersuchung des Verhältnisses von Substanz und Person weiterentwickelt: „In der liebenden Person verwenden sich Relation und Subsistenz, Sein-beim-Anderen und In-sich-sein jeweils füreinander. Die Person ist so verstanden also: relatio subsistens“. Damit Eucharistie zum gegenseitigen personalen Sich Schenken und Empfangen werden kann, bedarf es aber nach Oster einer personalen Freiheit als Gegenüber zu Christus: Maria als dem „Subjekt der Kirche.“
„Die Kluft zwischen der Feier der Liturgie und der Kontemplation, zwischen Sakrament und geistlicher Erfahrung schließen“
Abschließend sprach Marianne Schlosser, Inhaberin des Lehrstuhls für Dogmatik und spirituelle Theologie in Wien über „Das Sakrament der Eucharistie in der geistlichen Erfahrung der Christen“. Sie sieht in „Theologie und Liturgie“ das Anliegen verwirklicht, die Kluft zwischen der Feier der Liturgie und der Kontemplation, zwischen Sakrament und geistlicher Erfahrung zu schließen. Von verschiedenen Seiten wurde diese These gestützt: Über den Begriff des Mysteriums, über die Klärung des patristischen Verständnisses von Mystik, über die eucharistischen Visionen der Seherinnen von Helfta, über die Wiederlegung des Gemeinplatzes von der mittelalterlichen Schaufrömmigkeit und ihrer Verdinglichung der Eucharistie und schließlich über die Entfaltung des Begriffs der Wandlung. Auch wenn der Bezug zum ersten Band der Werkausgabe nicht bei jedem Referat durchgängig sichtbar war, wurde der Reichtum und die Bedeutsamkeit dieser „Fundamentalliturgik“ des Papstes grundlegend ausgeleuchtet. Man darf gespannt sein, ob auch die bisher überwiegend kritisch reservierte Liturgiewissenschaft die Ergebnisse der Tagung als Einladung zur positiven Rezeption der „Theologie der Liturgie“ aufnehmen kann.