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Presseschau - Detail

Exzellentes Kompendium

DT vom 22.09.2011, Nr. 113, S. 5 von Michael Karger

Neuer Ratzinger-Band: Ein theologisches Lesebuch aus Texten des Heiligen Vaters.  

 

Noch ist es ein Geheimtipp: In der unansehnlichen, aber kostengünstigen Reihe der broschierten „Arbeitshilfen“ der Deutschen Bischofskonferenz ist eine Ratzinger-Textauswahl erschienen. Insgesamt 120 halb bis ganzseitige Zitate aus dem Gesamtwerk von Ratzinger aus dem Zeitraum 1960 bis 2005 wurden unter Stichworten in alphabetischer Reihenfolge angeordnet. Da Papst Benedikt XVI. seine Christologie „Jesus von Nazareth“ bewusst unter seinem bürgerlichen Namen veröffentlichte, wurde auch ein Zitat aus dem ersten Band von 2007 aufgenommen.

Zusammengestellt wurde die Anthologie vom besten Kenner des Gesamtwerkes und der Theologie des Papstes, dem Dogmatikprofessor Rudolf Voderholzer, dem wissenschaftlichen Herausgeber der Werkausgabe „Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften.“

 

Von den geplanten sechzehn Bänden sind seit 2008 in zügiger Folge bereits fünf erschienen. Was Voderholzer und seine Mitarbeiter vom Institut Papst Benedikt XVI. in Regensburg aus dem schier unüberschaubaren Schrifttum Ratzingers ausgewählt haben, ergibt sowohl eine Einführung in sein Denken aus Quellentexten wie auch einen Katechismus aus Ratzinger-Aussagen.

 

Ordnet man die Stichworte den theologischen Traktaten zu, ergibt sich zunächst eine große fundamentaltheologische Abteilung mit einem deutlich hermeneutischen Schwerpunkt. Dabei geht es um die Offenbarung und ihre Bezeugung in Schrift und Tradition, die Einheit der Schrift, Wahrheit und Geschichtlichkeit, die Wir-Struktur des Glaubens und das Dogma als Richtschnur des Glaubens.

 

In der Gotteslehre werden die Trinitätslehre und das Personenverständnis geklärt. Zur Schöpfungslehre gehört die Stelle über Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube. Grundlegende Stichworte wie Jesus der Geschichte – Christus des Glaubens, Kindsein, Jesus Christus – relativiert von pluralistischer Religionstheorie, Sühne, Opfer, Stellvertretung und Gestalt des Auferstandenen, ergeben eine konzentrierte Christologie.

 

Zahlreich sind auch die Einzeltexte, die der Lehre von der Kirche zuzuordnen sind: Kirche, Communio Sanctorum, Katholisch, Eucharistie und Einheit, Eucharistie und Kirchenverständnis, Mission, Episcopus – Bischof, Priester, Zölibat, Allgemeines Priestertum, Pfarrei/Gemeinde, Petrusdienst, Unfehlbarkeit, Orthodoxie, Ökumene. Auch zur Marienlehre finden sich bedeutsame Darlegungen in den Artikeln Magnifikat, Maria – alttestamentliche Vorbilder, Maria – Thron der Weisheit, Mariologie als konkrete Gnadenlehre.

 

Zwei Textbeispiele belegen die Qualität der Anthologie

 

Unter die Rubrik Liturgie fallen die Texte über die Wandlungsworte, Anbetung des Eucharistischen Herrn, Friedensgruß und Herz-Jesu-Verehrung. Unter den Begriffen Sakramente, Taufe, Säuglingstaufe, Firmung findet sich eine kleine Sakramentenlehre. Auch die Eschatologie wird nicht ausgeklammert, wie die Texte über Trauer, Seele, Fegefeuer, Himmel, Teufel und Dämonen bestätigen. So erweist sich die Textsammlung als wahres Glaubenskompendium. Direkt unter jedem Zitat gibt eine exakte Quellenangabe den Fundort an. Einige bisher unbekannte Stücke sind nur in den jährlich erscheinenden „Mitteilungen des Instituts Papst Benedikt XVI.“ veröffentlicht worden.

 

Zwei Textbeispiele sollen die Qualität der Anthologie abschließend belegen. Allein die Ausführungen zur Streitfrage „pro multis“ oder „pro omnibus“ in den Wandlungsworten sind geeignet, den ganzen Konflikt als überflüssig zu erweisen: „Schrift und Überlieferung kennen sowohl die Formel ,für alle‘ wie die Formel ,für viele‘. Beide sagen je einen Aspekt der Sache aus: Einerseits den umfassenden Heilscharakter von Christi Tod, der für alle Menschen gelitten wurde; auf der anderen Seite die Freiheit der Verweigerung als Grenze des Heilsgeschehens. Keine der beiden Formeln kann das Ganze sagen; jede bedarf der Auslegung und der Rückbeziehung auf das Ganze der Botschaft.“

 

Im Jahr 1978 antwortete Erzbischof Ratzinger auf die seit der Reformation gerne gestellte Frage „Ist Petrus als Person das Fundament der Kirche, oder ist das Bekenntnis das Fundament der Kirche?“ mit der Klarstellung: „Das Bekenntnis gibt es nur als persönlich verantwortetes, und daher ist das Bekenntnis an die Person gebunden.“

Kardinal Ratzinger fügte mit Bezug auf die Umbenennung von Simon in Petrus, die Christus vorgenommen hat, hinzu: „In seinem neuen, das historische Individuum überschreitenden Namen wird Petrus zur Institution, die die Geschichte hindurchgeht, aber doch so, dass diese Institution nur als Person und in namentlicher und persönlicher Verantwortung existieren kann.“

Seit dem „Hans Urs von Balthasar – Lesebuch“ von 1980 hat es keine theologische Textsammlung aus dem Gesamtwerk eines Autors gegeben, die qualitativ mit der neuen Ratzinger-Anthologie mithalten kann.

 

Der Glaube der Kirche. Ein theologisches Lesebuch aus Texten von Joseph Ratzinger. Herausgegeben vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Arbeitshilfen Nr. 248, 1. September 2011), broschiert, 152 Seiten, Bonn 2011