„Ein Jahrhundertereignis“
DT vom 04.11.2008, Nr. 133, S. 5 von Regina Einig
Präsentation des Eröffnungsbandes der Gesammelten Schriften des Heiligen Vaters in Regensburg
Regensburg (DT) Sternstunde für das Bistum Regensburg: Nach einer feierlichen Pontifikalvesper in der Schottenkirche St. Jakob hat Bischof Gerhard Ludwig Müller am Donnerstag vor zahlreichen Gästen aus dem In- und Ausland das erste Exemplar der Gesammelten Schriften des Heiligen Vaters dem Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean- Claude Périsset überreicht. Am Festakt nahmen der Bruder des Papstes, Apostolischer Protonotar Georg Ratzinger, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, der Passauer Bischof Wilhelm Schraml sowie der Bamberger Alterzbischof Karl Braun und der Bischof des Bistums Pilsen, Frantisek Radkovsky und mehrere Vertreter des Erzbistums Madrid teil.
Auch mehrere Schulkameraden Joseph Ratzingers waren gekommen. Ihnen verdankt das Institut das älteste Schriftstück aus der Feder Joseph Ratzingers aus dem Jahr 1944 – einen Beitrag für die Traunsteiner Schülerzeitung „Helios“. Der zum Reichsarbeitsdienst eingezogene Joseph berichtet den Daheimgebliebenen brieflich von der Entlassung aus dem Dienst als Luftwaffenhelfer, einem kurzen Aufenthalt im Elternhaus, dem Stellungsbefehl für den Reichsarbeitsdienst, einer Fahrt in überfüllten Zügen nach Wien und seinen Gedanken an die Kameraden.
Die Bandbreite der Dokumente in Wort, Ton und Bild verdeutlicht die Wertschätzung, die dem Theologen Joseph Ratzinger schon lange vor der Ernennung zum Erzbischof von München und Freising entgegengebracht wurde. Er war ein begehrter Autor für das „Wort zum Sonntag“. Unzählige Predigten von ihm wurden privat aufgenommen. Auffallend viele junge Theologen drängten nach den Ansprachen in die Räume des Papst-Benedikt-Instituts. Die Schriften Joseph Ratzingers faszinieren die Studenten heute ebenso wie in den sechziger Jahren. Ein Kreis junger Theologen hat sich den „klassischen“ Ratzingerschülern angeschlossen. Der Direktor des Instituts, Rudolf Voderholzer, unterstrich, es gebe keine Konkurrenz zwischen der Regensburger Einrichtung und der von Mitgliedern des Schülerkreises ins Leben gerufenen Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI. Stiftung. Beide verbindet das gemeinsame Ziel, das geistliche Erbe des Papstes zu erhalten. Dieses ist untrennbar mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbunden.
Der Regensburger Bischof stellte in seinem Festvortrag „logoshafter Gottesdienst“ den Wandel der Eucharistiefeier in den vergangenen Jahrzehnten dar und erinnerte an die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium: „Wenn das Konzil die Liturgie als Höhepunkt und Quelle für alles kirchliche Tun beschreibt, (SC 10), ist damit auch schon eingeschlossen, dass ihre Verkündigung und Seelsorge, ihre Theologie und Kultur und ihre karitative Tätigkeit eine eigene Verwirklichung des Lebens und der Sendung der Kirche bedeuten.“ Zeugnis, Liturgie und Diakonie seien einander innerlich zugeordnet, und trügen sich wechselseitig mit. Papst Benedikt habe in seiner ersten Enzyklika Deus caritas est auf überzeugende Weise daran erinnert. Liturgie, so Bischof Müller, sei also kein weltabgewandtes Spiel mit religiösen Empfindungen, sondern Vorbereitung zum Weltdienst in der inneren Verklammerung von Gottes- und Nächstenliebe. Die Reform der Liturgie sei nicht überall als Bruch mit der Tradition empfunden worden, indem Experten von heute auf morgen völlig unvermittelt eine selbsterdachte Konstruktion gegen die gewachsene geschichtliche Form gestellt hätten. Wörtlich erklärte Müller: „Das Aufrechnen von vorkonziliarer und nachkonziliarer Theologie und Liturgie widerspricht meiner eigenen Erfahrung im Mitleben mit der Kirche und erweist sich immer mehr als ein ideologisches Vehikel, mit dem man die Einheit der Kirche in der Kontinuität ihrer Tradition und geschichtlichen Vermittlung der Offenbarung auseinanderbrechen will.“ Katholische Liturgie sei vielmehr vernünftige Anbetung Gottes, „der selbst Geist und Wahrheit ist“ und dessen Logos unser Fleisch angenommen habe. Jenseits der Abdrängung des Glaubens in den Irrationalismus, der Verkürzung der Liturgie auf ein ästhetisches Spiel sowie auch einen flachen Rationalismus der pädagogischen Verzweckung, der Aushöhlung des Mysteriums durch eine Entsakralisierung von Priestertum und den Sakramenten „sind wir zum logosgemäßen Gottsdienst berufen, so wie die Lehren unseres Glaubens vernunftgemäß und argumentativ vermittelt werden sollen, unterstrich der Regensburger Bischof.
Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Jean-Claude Périsset, sagte in seinem Grußwort, die Jahre des Professor Joseph Ratzinger in Regensburg seien nicht nur seine letzten als akademischer Lehrer, sondern auch seine fruchtbarsten gewesen. Das helfe zu verstehen, warum das Institut- Papst-Benedikt XVI. in Regensburg seinen Sitz habe. Die Donau, die in Regensburg ihren nördlichsten geographischen Punkt erreicht, sei als Allegorie vorzüglich geeignet, das theologische Werk Benedikts zu erklären. Ihre Quelle habe sie in Deutschland, sie fließe aber in Länder slawischer Prägung, die der orthodoxen Tradition angehören – auf Quellen aus diesem Bereich habe Joseph Ratzinger immer wieder zurückgegriffen. Das Wasser aber bliebe immer dasselbe, egal ob es aus der Quelle oder aus Zuflüssen kommt. So richte der Dogmatiker Joseph Ratzinger seine Theologie stets an Gott und seinem Wort aus.
Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sprach in seinem Grußwort seinen Dank dafür aus, dass durch die Initiative des Regensburger Bischofs das Denken und Wirken des Theologen, Bischofs und Papstes Joseph Ratzinger umfassend dokumentiert und somit zugänglich gemacht werde, denn aus der fruchtbringenden Verbindung von Lernen und Lehren sei in den vergangenen Jahrzehnten aus der Feder des Heiligen Vaters eine beeindruckende Anzahl von Büchern, Aufsätzen, Predigten, Lexikonartikel, Rezensionen und Rundfunkansprachen entstanden. Von einer Liturgie, die Papst Benedikt XVI. selbst als die Berührung mit dem Schönen selbst, mit der ewigen Liebe, bezeichnete, eröffneten sich aufs Beste auch die anderen Bereiche des theologischen Denkgebäudes von Joseph Ratzinger. Daher starte die Reihe der Gesammelten Schriften zu Recht mit dem Band über die Liturgie, so Erzbischof Zollitsch.
Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, der auch im Namen der Bayerischen Bischofskonferenz sprach, dankte Bischof Gerhard Ludwig für die Herausgabe der Gesammelten Schriften, die vorzulegen ein „Jahrhundertereignis“ sei. „Noch in hundert und zweihundert Jahren wird man zu diesen Werken greifen“, so Marx. Die Herausgabe der Gesammelten Schriften sei eine wichtige Aufgabe für die Weltkirche und für die ganze Welt. Erzbischof Marx wandte sich gegen eine denkerische, pastorale und liturgische Verharmlosung des Christentums: „Der Glaube überfordert nicht, aber er ist anspruchsvoll. Wir müssen auf den intellektuellen Anspruch der modernen Welt mit Argumenten reagieren.“ In diesem Sinne habe Joseph Ratzinger mit seiner Theologie eine „heilsame Beunruhigung hervorgerufen, die hoffentlich weitergeht“. Auch erinnerte der Erzbischof an die Aussage Joseph Ratzingers, in der Liturgie einen Test der Glaubwürdigkeit der Kirche zu sehen.