Dr. Christian Schaller über Benedikt XVI.: „Ein beeindruckender Mensch“
KSZ, 15./16.04.2017, Nr.15, BRgb S. III, Interview von Stefan Mohr
Der stellvertretende Direktor des Instituts Papst Benedikt XVI. im Interview
Am Ostersonntag, 16. April, kann Papst em. Benedikt XVI. seinen 90. Geburtstag feiern. Viele Glückwünsche werden ihn dazu auch aus dem Bistum Regensburg erreichen. Immerhin ist der emeritierte Papst mit Regensburg in vielfacher Weise besonders verbunden. Nicht zuletzt ist hier auch das nach ihm benannte Institut Papst Benedikt XVI. angesiedelt, das dem umfangreichen theologischen Werk von Joseph Ratzinger/ Papst Benedikt XVI. verpflichtet ist. Direktor des Instituts ist Bischof Rudolf Voderholzer, sein Stellvertreter Dr. Christian Schaller. Mit ihm sprach die Katholische SonntagsZeitung/Regensburger Bistumsblatt.
Herr Dr. Schaller, wann haben Sie Papst em. Benedikt XVI. zuletzt gesehen, und können Sie uns etwas darüber sagen, wie es ihm momentan geht?
Meine letzte Begegnung mit Papst em. Benedikt XVI. war im Januar. Und ich durfte wieder einmal einem herzlichen, humorvollen und interessierten Menschen begegnen, der mit scharfem Verstand die Zeit analysiert, mit einem beneidenswerten Erinnerungsvermögen auf die Vergangenheit blickt und der neugierig an den aktuellen Fragestellungen der Theologie teilhat wie an allem, was den Menschen in seinem Leben beschäftigt, seien es die großen politischen Themen wie auch die Sorgen des Alltags. Diese Lebendigkeit ist schon sehr beeindruckend. Aber natürlich geht es, wenn man 90 Jahre alt ist, nicht mehr ganz so leicht die Treppen rauf und runter.
Wie werden Sie und das Institut Papst Benedikt XVI. zum 90. Geburtstag gratulieren und was wünschen Sie ihm?
Die Mitarbeiter des Instituts haben je ganz persönliche Glückwünsche verfasst, die mittlerweile auch in Rom angekommen sind. Jeder meiner Mitarbeiter hat einen anderen Aufgabenbereich und einen individuellen Zugang zum Werk und zur Theologie wie zur Person von Benedikt XVI. – das sollte auf diese Weise zum Ausdruck kommen und auch ein wirklich ganz persönliches Zeichen der Verbundenheit jedes Einzelnen mit ihm sein.
Was wir ihm wünschen, sind natürlich Gesundheit und Kraft für die Dinge, die ihm bedeutsam und wichtig sind.
Ist der 90. Geburtstag von Benedikt XVI. am 16. April auch für das Institut ein besonderes Ereignis? Sind außerordentliche Veranstaltungen geplant?
Das Institut wird zwei Bücher veröffentlichen, die pünktlich in der Karwoche erscheinen werden. Zum einen erscheint das allererste Werk des jungen Studenten Joseph Ratzinger. Als 19-jähriger Student hat er einen Text von Thomas von Aquin übersetzt. Eine Untersuchung über die Liebe. Ein Thema, das ja durch all die Jahrzehnte hindurch immer wieder aufgegriffen wurde in seinen Schriften und Vorträgen und ganz prominent in der ersten Enzyklika „Deus caritas est“. Ein „roter Faden“ also, der in den sieben Jahrzehnten im theologischen und geistlichen Werk und in besonderer Weise in den Predigten und Katechesen immer wieder aufscheint. Da offenbart sich auch das Wesen einer Person sehr deutlich, wenn das Forschen, Beten, Verkünden immer von diesem Begriff der Liebe durchdrungen geblieben ist.
Das zweite Buch mit dem Titel „Brich mir das Brot des Wortes“ vereint Predigten von Menschen, die Benedikt XVI. wichtig sind – Menschen aus der Geschichte, aber auch Zeitgenossen. Da finden Sie den heiligen Augustinus, über den er seine Doktorarbeit geschrieben hat, auch Gottlieb Söhngen, einer seiner Professoren in München, aber auch den heiligen Johannes Paul II., mit dem er 25 Jahre eng zusammengearbeitet hat, und noch viele andere Persönlichkeiten, die ihn geprägt haben oder die mit ihm in freundschaftlicher Verbundenheit standen oder stehen.
So entstand ein Buch, das ihn selbst an manches, was er erlebt hat, erinnern wird.
Und der dritte große Punkt wird die Tagung vom 28. bis zum 29. April in München in Kooperation mit der „Stiftung des Schülerkreises“ und der „Katholischen Akademie in Bayern“ sein. Wir werden unter anderem mit Udo di Fabio, Kardinal Kurt Koch, Sibylle Lewitscharoff über die gemeinsame Verantwortung aller Christen für Europa nachdenken – natürlich im Geiste von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.
Hauptaufgabe des Instituts ist die Erschließung des theologischen Werkes von Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI. Wie weit fortgeschritten ist die Arbeit, die „Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften“ herauszugeben?
Wir können in diesem Jahr bereits auf elf Bände im Bücherregal blicken. Aufgrund der Fülle des Materials zu den einzelnen Themenfeldern sind einige Bände in Teilbänden erschienen, sodass insgesamt 16 Bücher seit der Gründung des Instituts 2008 veröffentlicht worden sind. Derzeit arbeiten wir am dritten Teilband von Band 13 mit einer Auswahl an Interviews. Damit komplettieren wir die beiden ersten Teilbände mit den als Bücher erschienenen Interviews. Unter dem Titel „Im Gespräch mit der Zeit“ gewinnt der Leser dann aktuell gebliebene Antworten auf Fragen, die sich die Menschen immer wieder und zu aller Zeit gestellt haben.
Flankierend gibt es ja noch die „Ratzinger-Studien“ und die „Mitteilungen. Institut Papst Benedikt XVI.“. Sie diskutieren das Werk und geben Auskunft über die Arbeit, die am Bismarckplatz gemacht wird.
Welche Bedeutung hat Papst em. Benedikt XVI. für Sie persönlich, für das Bistum Regensburg, für die Weltkirche?
Für Regensburg bleibt in besonderer Erinnerung der Pastoralbesuch im Jahr 2006. Die bewegenden Bilder während der Messe am Islinger Feld oder die Regensburger Rede an der Universität und natürlich die ökumenische Vesper im Dom bleiben unvergessen.
Für die Weltkirche hat Joseph Ratzinger nicht nur als Papst große Bedeutung. Auch der Professor, der gelehrt hat, geschrieben und geforscht, der am Zweiten Vatikanischen Konzil teilgenommen hat, jungen Menschen den Glauben erklärt und sie für ihn begeistert hat – auch das ist Verantwortung für die ganze Kirche. Als Bischof von München und Freising stand er in weltkirchlicher Verantwortung, als Kardinal und als Präfekt der Glaubenskongregation wurde die Weltkirche in ganz besonderer Weise zu seinem Arbeitsfeld. Und die Jahre des Pontifikats sind geprägt von einer Umsichtigkeit und dem Willen, der Einheit der Kirche zu dienen. Seine Predigten und Katechesen waren für viele Menschen ein ständiger Begleiter im Alltag, seine großen Pastoralreisen wurden von Begeisterung begleitet – die acht Jahre waren ein Segen für die Kirche.
Da ich ein Münchener bin, begleitet mich der Name Joseph Ratzinger seit meiner Kindheit und Jugend. Die Beschäftigung mit seinen Schriften wurde dann später intensiviert während des Studiums. Den Zugang zu diesem beeindruckenden Menschen habe ich in erster Linie durch seine Predigten gefunden. Das Hören auf ihn machte neugierig, ihn auch zu lesen.
Aber in der Liturgie kann man einen Menschen erleben, der authentisch, innerlich, ganz sich dem Geschehen, das in der heiligen Messe gefeiert wird, demütig verpflichtet weiß. Das ist schon sehr beeindruckend und hat mich immer sehr berührt.
Die persönlichen Begegnungen empfinde ich jedes Mal als menschlich bereichernd und sehr herzlich. Ich bin darüber immer sehr dankbar!