Zweifel und Glaube
Quellangabe: Einführung in das Christentum, München 1968, 23 f.
Niemand kann dem andern Gott und sein Reich auf den Tisch legen, auch der Glaubende sich selbst nicht. Aber wie sehr sich der Unglaube dadurch auch gerechtfertigt fühlen mag, es bleibt ihm die Unheimlichkeit des „vielleicht ist es doch wahr“. Das Vielleicht ist die unentrinnbare Anfechtung, der er sich nicht entziehen kann, in der auch er in der Abweisung die Unabweisbarkeit des Glaubens erfahren muss. Anders ausgedrückt: Der Glaubende wie der Ungläubige haben, jeder auf seine Weise, am Zweifel und am Glauben Anteil, wenn sie sich nicht vor sich selbst verbergen und vor der Wahrheit ihres Seins. Keiner kann dem Zweifel ganz, keiner dem Glauben ganz entrinnen. Für den einen wirkt der Glaube gegen den Zweifel, für den andern ist der Glaube durch den Zweifel und in der Form des Zweifels anwesend. Es ist die Grundgestalt menschlichen Geschicks, nur in dieser unbeendbaren Rivalität von Zweifel und Glaube, von Anfechtung und Gewissheit die Endgültigkeit seines Daseins finden zu dürfen. Vielleicht könnte so gerade der Zweifel, der den einen wie den andern vor der Verschließung im bloß Eigenen bewahrt, zum Ort der Kommunikation werden.
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