Zölibat - ein eschatologisches Abenteuer
Quellangabe: Zum Zölibat der katholischen Priester. Stellungnahme zu Prof. Dr. Richard Egenters „Erwägungen zum Pflichtzölibat“ [1977], in: JRGS 12, 154–158, 155 f. 157.
Der Zölibat ist ein sittlich und religiös belangvolles Phänomen nur und gerade dadurch, dass Menschen um Gottes und seines Dienstes willen auf den grundlegenden menschlichen Wert der Ehe verzichten, die an sich zur Ehe fähig und willens wären. Wenn der Kreis der Zölibatäre ein Verein von Hagestolzen ist, ist er nichts wert. Wichtig wird er allein dadurch, dass Menschen um des Herrn willen und um in der Kirche das gemeinschaftliche Zeichen ihrer Hoffnung auf den Herrn zu geben, das preisgeben, was sie nicht preisgeben würden, wenn nicht dieses gemeinschaftliche und öffentliche Zeichen ihnen einen neuen Auftrag und eine neue Weise der Erfüllung setzen würde. […]
Dass es heute weniger „Berufungen“ gibt als in Ihrer und in meiner Generation, liegt doch nicht daran, dass Gott sich weniger um die Kirche kümmert oder dass er sich etwas anderes für sie ausgedacht hat, sondern daran, dass die Kirche müde geworden ist und ihm keinen Einlass gewährt. Wie soll sich ein junger Mensch für das eschatologische Abenteuer des Zölibats entscheiden können, wenn die Kirche selbst nicht mehr zu wissen scheint, ob sie es noch wollen soll? Im Drama der Entscheidung wiegt jedes Wort, und allzu leicht kann man den Boden in einem Augenblick wegziehen, der über Ja oder Nein, über die Kraft des Bestehens oder die Unkraft des Zurückweichens definitiv entscheidet. […]
Natürlich gibt es Zölibatsverfehlungen und ungünstige psychische Auswirkungen, wo er unter falschen Voraussetzungen angegangen wurde. Aber auch das sollte man nicht verbergen, dass die Ehe vor ähnlichen Gefahren keineswegs immunisiert. Und über den Negativa sollten wir doch nicht vergessen, wie viele reife und große Gestalten in der Schule des Priestertums der katholischen Kirche herangewachsen sind; hätte es sie nicht gegeben, hätten wir doch alle nicht den Weg zu diesem unzeitgemäßen und gerade darin so zeitgemäßen Wagnis gefunden.
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