Umkehr
Quellangabe: Die Neuevangelisierung, in: JRGS 8, 1231–1242, hier 1232 f.
Der Hauptinhalt des Alten Testamentes ist zusammengefasst in der Botschaft des Täufers Johannes: Kehrt um! Es gibt keinen Zugang zu Jesus ohne den Täufer. Man kann nicht zu Jesus kommen, ohne auf den Appell des Vorläufers zu antworten. Jesus hat vielmehr die Botschaft des Johannes aufgenommen in die Zusammenfassung seiner eigenen Predigt: Kehrt um und glaubt an das Evangelium! (Mk 1,15). Das griechische Wort für umkehren bedeutet: umdenken; die eigene und allgemeine Lebensweise in Frage stellen; Gott eintreten lassen in die Kriterien des eigenen Lebens; nicht leben, wie alle leben; es nicht machen, wie alle es machen; sich nicht beim Tun fragwürdiger, zweideutiger oder schlechter Dinge gerechtfertigt fühlen, weil die anderen das Gleiche tun; damit beginnen, das eigene Leben mit den Augen Gottes zu sehen; also das Gute suchen, auch wenn es unbequem ist; sich nicht stützen auf das Urteil der Menge, sondern auf das Urteil Gottes; mit anderen Worten: einen neuen Lebensstil, ein neues Leben suchen. All das impliziert keinen Moralismus; wer das Christentum auf die Moral reduziert, verliert das Wesen der Botschaft Christi aus den Augen, nämlich das Geschenk der neuen Freundschaft, das Geschenk der Gemeinschaft mit Jesus und deshalb auch mit Gott. Wer sich zu Christus bekehrt, beabsichtigt nicht, sich eine eigene moralische Unabhängigkeit zu schaffen; er beansprucht nicht, mit den eigenen Kräften seine eigene Güte aufzubauen. „Bekehrung“ (metanoia) bedeutet genau das Gegenteil: Ausbrechen aus der Selbstgenügsamkeit, die eigene Bedürftigkeit erkennen und annehmen, die Angewiesenheit auf die anderen und auf den ganz Anderen, die Angewiesenheit auf seine Vergebung, auf seine Freundschaft. Das nicht bekehrte Leben ist Selbstgerechtigkeit (ich bin nicht schlechter als die Anderen). Die Bekehrung ist die Demut, sich der Liebe des ganz Anderen anzuvertrauen, einer Liebe, die Maßstab und Richtschnur meines eigenen Lebens wird.
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