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Jesus der Geschichte - Christus des Glaubens

Quellangabe: Was bedeutet Jesus Christus für mich?, in: Dogma und Verkündigung, München 1973, 137–140, 138 f.


Die kirchliche Tradition, in der die von Jesus gegründete Geschichtsbewegung lebenskräftig geblieben ist bis heute, gibt mir zugleich Vertrauen zur biblischen Tradition, der ich mehr Wirklichkeit zutraue als den Versuchen, einen chemisch reinen historischen Jesus aus der Retorte der historischen Vernunft zu rekonstruieren. Ich vertraue der Tradition in ihrer ganzen Breite. Und je mehr Rekonstruktionen ich kommen und wieder gehen sehe, desto mehr fühle ich mich in diesem Vertrauen bestärkt. Es wird mir immer deutlicher, dass die Hermeneutik von Chalkedon die einzige ist, die nichts weginterpretieren muss, sondern das Ganze annehmen kann. Jede andere muss größere oder kleinere Teile des historischen Befundes streichen im Namen ihrer vermeintlich besseren vernünftigen Einsichten. Aber die Autorität, die zu solchen Streichungen zwingt, ist nur die einer bestimmten Denkform, deren historische Bedingtheiten häufig deutlich zu umschreiben sind. Gegenüber solchen Teilautoritäten hat für mich die vitale Kraft der Überlieferung ein unvergleichlich größeres Gewicht. Deshalb hat für mich der Streit um die ipsissima vox keine allzu große Bedeutung. Ich weiß, dass der Jesus der Evangelien der wirkliche Jesus ist, dass ich mich ihm weit ruhiger anvertrauen kann als den gelehrtesten Rekonstruktionen, die er alle überdauern wird. Die ganze Breite und Farbigkeit der Evangelienüberlieferung gibt für mich Auskunft darüber, wer Jesus war und ist. In ihr gibt er sich immer neu zu hören und zu sehen.





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