Herz-Jesu-Verehrung
Quellangabe: Die Hoffnung des Senfkorns, Meitingen / Freising 1973, 20–22.
Kann uns Herz-Jesu-Verehrung noch etwas sagen? Oder besser: Können wir in ihr uns noch aussagen vor dem Herrn und auf ihn hin? Der barocke Überschwang, die Leichtigkeit, mit der sie die großen Grundworte menschlichen Lebens in den Mund nimmt, sind uns verdächtig geworden. Wer näher zusieht, kann hinter ihrer ekstatischen Gebärde eine ursprüngliche Entdeckung finden, die sich dann nach der Weise ihrer Zeit Ausdruck schuf. Was hier neu gefunden wurde, war freilich in Wahrheit das Uralte und das Eigentliche: das Menschsein Gottes in Jesus Christus. Und was hier neu gefunden wurde, war die Leibhaftigkeit des Menschen Jesus. Für all dies steht das Wort ,,Herz“, das ganz bewusst nicht nur Symbol, sondern Verankerung des Geistes in der Realität des Leibes sein wollte und will. Die Materie hat eine neue Dimension gefunden, als sie Ausdruck des Geistes und als sie schließlich Ausdruck Gottes selber wurde. Aber auch Gottes eigene Liebe hat eine neue Dimension gefunden, als sie die Kostbarkeit und die Passion des Menschseins, der Materie übernahm. Man kann sie nun förmlich anrühren, wie Johannes kühn sagt (1 Joh 1,1); man kann sie sehen. Gott nimmt die Grenze der Materie, eines ganz bestimmten Körpers an, um gerade so, durch diese Begrenzung, eine neue Möglichkeit der Mitteilung, der Nähe zu finden. Materie, die trennt, wird zum Mittel der Berührung. Zum Medium der Hingabe. Etwas von der Möglichkeit der Verwandlung, die ihr innewohnt, leuchtet auf. Und etwas vom Geheimnis des Menschen, in dem Materie und Geist sich vermählen, um je ihr Eigenes erst voll zu finden und so die Einheit der Schöpfung zu stiften, deutet sich an.
Herz-Jesu-Verehrung war in ihren großen Zeiten so etwas wie eine Jesus-Bewegung mitten in der Kirche. Über dem Trümmerfeld des Dreißigjährigen Krieges, inmitten des politischen Christentums der barocken Höfe hat sie die Einfachheit Jesu entdeckt und die Kirche neu an seine Einfachheit gebunden. Sie hat ihn, gerade in der Zeit kirchlicher Macht, als den Leidenden und als den Einsamen erkannt. Sie hat die Menschen in die Zwiesprache mit seiner Einsamkeit und in die Teilnahme an seinem Leiden geführt. Ihr „Protest“ war das Leiden, oder richtiger: Sie hat die Schuld ihrer Zeit zu bestehen versucht, indem sie Schuld in Leid verwandelte. Sie hat das freiwillige Leiden als Stätte der heilenden Verwandlung des Menschen gefunden. Und ebenso ist sie auch über den drückenden Moralismus der Kasuistik, über den ausweglosen Streit von Rigoristen und Laxisten ganz von selbst hinausgewachsen: Sie hat das ,,leichte Joch“ Jesu gerade in der Annahme seiner Passion entdeckt – ein Herz haben wie er, das wäre das ganze Geheimnis. Während die „Weisen und Klugen“ stritten, vermochten die „Einfältigen“ zu sehen (vgl. Mt 11,25): Das Herz zeigt den Weg. Sollte uns dies nichts mehr zu sagen haben?
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