Eucharistische Ekklesiologie
Quellangabe: Die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils (1985), in: Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften 8, hg. von Gerhard Ludwig Müller, Freiburg 2010, 258–282, hier 262–266.
Was ist […] mit eucharistischer Ekklesiologie gemeint? […] Das erste ist, dass nun Jesu letztes Abendmahl als der eigentliche Akt der Kirchengründung erkennbar wird: Jesus schenkt den Seinen die Liturgie seines Todes und seiner Auferstehung und schenkt ihnen so das Fest des Lebens. Er wiederholt im Abendmahl den Sinai-Bund, oder vielmehr: Was dort nur ein Anlauf in Zeichen gewesen war, wird nun ganz Wirklichkeit – die Bluts- und Lebensgemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen. Wenn wir dies sagen, ist klar, dass das Abendmahl Kreuz und Auferstehung vorwegnimmt und sie zugleich notwendig voraussetzt, denn sonst bliebe alles leere Gebärde. Deswegen konnten die Kirchenväter mit einem sehr schönen Bild sagen, die Kirche sei aus der geöffneten Seite des Herrn entsprungen, der Blut und Wasser entflossen. Das ist in Wirklichkeit, nur von einer anderen Seite her gesagt, dasselbe, wie wenn ich formuliere: Das Abendmahl ist der Anfang der Kirche. Denn immer bedeutet es, dass Eucharistie Menschen zusammenschließt, nicht nur untereinander, sondern mit Christus, und dass sie so Menschen zur Kirche macht. Zugleich ist damit auch schon die grundlegende Verfassung der Kirche gegeben: Kirche lebt in Eucharistiegemeinschaften. Ihr Gottesdienst ist ihre Verfassung, denn sie selbst ist ihrem Wesen nach Gottesdienst und darum Menschendienst, Dienst der Weltverwandlung. […]
Aus dem Ansatz der eucharistischen Ekklesiologie folgt jene Ekklesiologie der Ortskirchen, die für das Zweite Vatikanum kennzeichnend ist und den inneren, sakramentalen Grund für die Lehre von der Kollegialität darstellt […].
Aber er ist auch überall nur einer und deshalb kann ich den einen Herrn nur in der Einheit haben, die er selber ist, in der Einheit mit den andern, die auch sein Leib sind und in der Eucharistie es immer neu werden sollen. Darum ist Einheit der Eucharistie feiernden Gemeinden untereinander nicht eine äußere Zutat zur eucharistischen Ekklesiologie, sondern ihre innere Bedingung: Nur in der Einheit ist der eine. Insofern ruft das Konzil die Selbstverantwortung der Gemeinden auf und schließt doch jede Selbstgenügsamkeit aus. Es trägt eine Ekklesiologie vor, für die das Katholisch-Sein, d. h. die Gemeinsamkeit der Glaubenden aller Orte und aller Zeiten nicht organisatorische Äußerlichkeit, sondern von innen kommende Gnade und zugleich sichtbares Zeichen für die Kraft des Herrn ist, der allein Einheit über so viele Grenzen geben kann.
zurück