Descensus ad inferos - Abstieg Christi in das Reich des Todes
Quellangabe: Meditationen zur Karwoche, Meitingen / Freising 1969, 25.
„Abgestiegen zu der Hölle“ – dies Bekenntnis des Karsamstags bedeutet, dass Christus das Tor der Einsamkeit durchschritten hat, dass er abgestiegen ist in den unerreichbaren, unübersteigbaren Grund unseres Verlassenseins. Es bedeutet, dass auch in der letzten Nacht, in die kein Wort mehr dringt, in der wir alle wie weinende, ausgestoßene Kinder sind, eine Stimme ist, die uns ruft, eine Hand, die uns nimmt und führt. Die unübersteigliche Einsamkeit des Menschen ist überstiegen, seitdem Er in ihr war. Die Hölle ist überwunden, seitdem die Liebe auch in die Region des Todes eingetreten ist und das Niemandsland der Einsamkeit bewohnt wird von ihm. Der Mensch lebt im Tiefsten nicht vom Brot, sondern im Eigentlichen seines Menschseins lebt er davon, dass er geliebt wird und selber lieben darf. Seitdem es die Anwesenheit der Liebe im Raum des Todes gibt, gibt es Leben mitten im Tod: Deinen Gläubigen, Herr, wird das Leben nicht genommen, nur verwandelt, betet die Kirche in ihrer Totenliturgie.
Niemand kann es ausmessen, was es im Letzten heißt, dies Wort „abgestiegen zur Hölle“. Aber wenn wir selbst einmal auf die Stunde unserer letzten Einsamkeit zugehen, werden wir etwas von der großen Helligkeit dieses dunklen Geheimnisses begreifen dürfen. In der hoffenden Gewissheit, dass wir in jener Stunde tiefster Verlassenheit nicht allein sein werden, können wir jetzt schon ein weniges davon erahnen. Und mitten in unserm Aufbegehren gegen das Dunkel des Gottestodes beginnen wir, dankbar zu werden für das Licht, das gerade aus diesem Dunkel zu uns kommt.
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