Dämonen
Quellangabe: Abschied vom Teufel?, in: Dogma und Verkündigung, München ³1977, 221–230, hier 225–228.
Die Vorstellung dämonischer Mächte tritt nur zögernd ins Alte Testament ein, erhält dagegen im Leben Jesu eine unerhörte Wucht […]. Dieser Vorgang der Steigerung vom Alten Testament ins Neue, der äußersten Kristallisierung des Dämonischen gerade im Gegenüber zur Gestalt Jesu und der Beständigkeit des Themas im gesamten neutestamentlichen Zeugnis ist von erheblicher Aussagekraft. […] In einer göttergesättigten Umwelt, die zwischen guten und bösen Göttern die Übergänge fließend sah, hätte der Verweis auf Satan dem entschiedenen Bekenntnis seine Klarheit genommen. Erst als der Satz von dem einen Gott mit allen seinen Konsequenzen zum unverrückbaren Besitz Israels geworden war, konnte der Blick geweitet werden auf Mächte, die den Raum des Menschen überschreiten, ohne dass sie Gott seine Einzigkeit streitig machen könnten. […] Die Bibel weiß von seinen [Jesu] Versuchungen (Lk 22,28), nicht nur von der einen, die ausführlich geschildert wird; sie geht so weit zu sagen, Jesus sei dazu in die Welt gekommen, um die Werke des Teufels zu vernichten (1 Joh 3,8). Diese Formel fasst zusammen, was Jesus selbst in der Spruchreihe vom Stärkeren und vom Starken, von der Macht der Dämonen sagt, deren Reich er in der Kraft des Heiligen Geistes zum Einsturz bringt (Mk 3,20–30). Auffällig ist, dass er, der sich nicht zum Wundermann machen lassen wollte, den Kampf gegen die Dämonen zum Kern seines Auftrags rechnete (vgl. etwa Mk 1,35–39) und dass folglich die Vollmacht dazu zum Kern der Vollmacht gehört, die er seinen Jüngern überträgt: Sie werden gesandt, »zu verkünden und um Macht zu haben, die Dämonen auszutreiben« (Mk 3,14 f.). Der geistliche Kampf gegen die versklavenden Mächte, der Exorzismus über eine von Dämonen geblendete Welt, gehört unabtrennbar zum geistlichen Weg Jesu und zur Mitte seiner eigenen Sendung wie derjenigen seiner Jünger. Die Gestalt Jesu, ihre geistige Physiognomie ändert sich nicht, ob sich nun die Sonne um die Erde dreht oder ob die Erde sich um die Sonne bewegt, ob die Welt evolutiv geworden ist oder nicht, aber sie wird entscheidend geändert, wenn man das Ringen mit der erfahrenen Macht des Reiches der Dämonen aus ihr wegschneidet.
[…] Wo der Mensch in das Licht Jesu Christi tritt, wird der Dämon überführt und damit überwindbar. Wieder gilt, dass man die Taufe und damit christlichen Lebensvollzug ändern würde, wenn man die Realität der dämonischen Macht streichen wollte. Im Übrigen müsste man hier, bei der Frage nach der Kirche, die Erfahrung der Heiligen, der exemplarisch Glaubenden hinzunehmen – ich sage: ihre Erfahrung, nicht alle ihre Ideen. Diese Erfahrung entspricht der Erfahrung Jesu: Je stärker das Heilige sichtbar und mächtig wird, desto weniger kann sich der Dämon verbergen. Insofern könnte man geradezu sagen, dass das Verschwinden der Dämonen, das vermeintliche Gefahrloswerden der Welt mit dem Verschwinden des Heiligen Hand in Hand geht.
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