Seite drucken     Schriftgröße A-  A  A+

Aktuelle Informationen - Einzelansicht

Symposium zur Eschatologie und Theologie der Hoffnung am 31. Mai / 1. Juni 2013 in Erfurt

Gott gibt dem Menschen Ewigkeit


Der Traktat „Eschatologie“ hat in den zurückliegenden Jahrzehnten einen bemerkenswerten Gestaltwandel erfahren. Aus der isolierten Betrachtung der „Letzten Dinge“ wurde eine Gesamtdarstellung der Theologie unter der Rücksicht, dass Gott sich in Jesus Christus dem Menschen unwiderruflich - eschatologisch - als Heil und Zukunft offenbart hat. Mit Band 10 der „Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften“ liegen nun seine Veröffentlichungen zu diesem Thema unter dem Titel „Auferstehung und Ewiges Leben. Beiträge zur Eschatologie und zur Theologie der Hoffnung“ vor. Den Band eröffnet das in der Reihe der „Kleinen Katholischen Dogmatik“ erschienene Lehrbuch zur Eschatologie, das nach den Worten Joseph Ratzingers als sein „am meisten durchgearbeitetes Werk“ anzusehen sei. Die gemeinsam mit der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt ausgerichtete Veranstaltung beleuchtete verschiedene Aspekte der individuellen, ekklesialen und universalen Eschatologie und der Theologie der Hoffnung.

 

Am Freitagabend fand ab 19 Uhr in der Bildungsstätte St. Martin in der Farbengasse 2 eine Begegnung mit der Katholisch-Theologischen Fakultät statt. Dekan Prof. Dr. Michael Gabel erläuterte zunächst die besonderen Umstände in der DDR, die zur Gründung der Fakultät 1952 in Erfurt führten. Die katholische Kirche in der DDR war durch die Folgen des zweiten Weltkrieges faktisch zur „Migrationskirche“ geworden und brauchte eine eigene Ausbildungsstätte für die Seelsorge der neuentstandenen Pfarreien. Viele Professoren aus dem Westen – vor allem von westdeutschen Fakultäten – kamen zu Gastvorlesungen. Joseph Ratzinger war auch darunter. Man druckte auch viele Artikel von ihm im theologischen Jahrbuch des Benno-Verlags ab, so dass theologisch Interessierten in der DDR schon sehr früh der Name Ratzinger etwas sagte.

Das Symposium am Samstag, 1. Juni, begann mit einer Hl. Messe um 8 Uhr mit Alt-Bischof Joachim Wanke und Bischof Dr. Rudolf Voderholzer. Der heilige Justin als Tagesheiliger stand im Mittelpunkt der Predigt von Bischof Voderholzer. Mit seiner Wahrheitssuche und seiner dialogischen Vermittlung der heilsgeschichtlichen Wahrheiten nach seiner Konversion konnte er gut als Patron der Tagung verstanden werden. 

Um 9.30 Uhr eröffnete mit einer kurzen Begrüßung Dekan Prof. Dr. Michael Gabel von der Katholisch-Theologischen Fakultät das Symposium im Coelicum. Er stellte den Dessauer Propst, Dr. Gerhard Nachtwei, als den ersten Promoventen über ein Thema zu Ratzinger vor, die in Erfurt geschrieben wurde. Unter der Themenstellung „Ratzingers Eschatologie auf der Suche nach einer Antwort auf die Fragen des heutigen Menschen. Erfahrungen mit der Theologie Ratzingers im Osten Deutschlands.“ stellte er Ratzingers Konzept der „dialogischen Unsterblichkeit“ vor. Joseph Ratzinger wollte damit die überlieferte kirchliche Lehre von der Unsterblichkeit neu verständlich machen. Quellen dieses dialogischen Ansatzes sind nach Nachtwei die vom heiligen Augustinus inspirierte „communionale Ekklesiologie“ sowie die Trinitätslehre. Als „Mann der Patoral“ ist es für Nachtwei schon immer wichtig, dass dogmatische Theologie auch reflektiere, wie sich deren Inhalte in der pastorale Praxis angesichts existentieller Fragen vermitteln lassen. Es gelte dabei „den Himmel offenzuhalten“.

Der Erfurter Dogmatiker Prof. Dr. Josef Freitag versuchte eine grundsätzliche Verhältnisbestimmung von individueller und universaler Eschatologie darzubieten. Bei Ratzinger erscheint ihm die indivduelle Eschatologie etwas überbetont zu sein. Gerade der Apostel Paulus (1 Kor 15,12ff.) verschränkt eindringlich die Auferstehung Christi mit der allgemeinen Auferstehung der Toten. Nach Freitag erklären sich individuelle und universale Eschatologie einander gegenseitig.

Gegen den nachkonziliaren Trend, den Seelebegriff als vermeintlich unbiblisch in Theologie und Verkündigung abzulehnen und stattdessen z.B. eine „Auferstehung im Tod“ zu vertreten, versuchte Joseph Ratzinger in seinem Eschatologielehrbuch von 1977 den Seelenbegriff wieder zu rehabilitieren. Prof. Dr. Dr. Thomas Marschler aus Augsburg stellte zunächst Anfragen und Kritik an diesem Versuch vor, um dann Ratzingers „Neubegründung“ zu würdigen: die „Annahme der Fortexistenz des Menschen über den Tod hinaus“ sei im biblischen Zeugnis impliziert und könne mit dem traditionellen Begriff der „Seele“ als notwendige Identitätsprinzip bezeichnet werden. Die Position Ratzingers decke sich dabei mit einem Schreiben der Glaubenskongregation in dieser Sache von 1979.

Ratzingers Beiträge zur Auseinandersetzung mit der „Politischen Theologie“ und der „Theologie der Befreiung“ sind auch im JRGS 10 eingegangen, weil es sich um Belange der unversalen Eschatologie handelt. Der langjährige Assistent Ratzingers in Regensburg, Prof. em. Dr. Siegfried Wiedenhofer, stellte zunächst die systematisch-theologischen Argumente vor, auf deren Basis Ratzinger diese Richtungen im nachkonziliaren Kontext radikal kritisierte. Ratzingers Urteil sei bezüglich einzelner Theologen durchaus differenziert ausgefallen. Auf prinzipieller Ebene sehe Ratzinger aber die christliche Hoffnung auf Erlösung durch Gott zugunsten einer Ideologie der „Selbsterlösung durch politische Praxis“ komplett ersetzt. Einerseits kann Ratzinger mit dieser „Hermeneutik des Verdachts“ reale Gefährdungen aufzeigen, um angesichts tatsächlicher Vermischungstendenzen zu Recht die Unterscheidung von Glaube und Politik  einzufordern; andererseits drohe diese notwendige Unterscheidung „ungewollt zu einer ,Trennung‘ radikalisiert zu werden“. Nach Ratzinger zeigt sich die Relevanz der Reich-Gottes-Botschaft für die Politik nicht im Thema der Eschatologie, sondern in der politischen Ethik als Gestaltung der Weltverantwortung des Glaubens. Nach Wiedenhofer besteht dabei die Gefahr, dass aus diesem Ansatz jedoch eine Art (der lutherischen nicht unähnliche) „Zwei-Reiche-Lehre“ sich ergeben könnte, die zur Spaltung der Existenz des Gläubigen führen könne. Die Verwendung eines „weiten“ Sakramentsbegriffs, wie er beispielsweise in der Ekklesiologie für die Rede von der Kirche als „Heilssakrament Gottes für die Welt“ gebraucht wird, sei auch für die Eschatologie ratsam. Man könnte so „innerweltliche Heilserfahrungen als Vorwegnahme der vollendeten Welt“ in den Blick nehmen. Mit einer Art „differenzierten Konsens“ könnte das Verhältnis von Religion und Politik eine brauchbare Lösung finden. Ratzingers Polemik dürfe insgesamt nicht außerhalb des Kontexts der Debatten gelesen und verabsolutiert werden, damit die großen Weite der Gesamttheologie Ratzingers nicht eingeengt werde. 

Nach den Referaten und in den Pausen konnten Fragen gestellt und Standpunkte ausgetauscht werden, so dass dieses Symposium zum weiteren Nachdenken anregen konnte. Zur Eschatologie Ratzingers wird in den Ratzinger-Studien ein Band erscheinen, der neben den in Erfurt gehaltenen Referaten noch weitere Beiträge enthalten wird.